SO FREI IST DIE KUNST
Gegen Nacktheit in der Kunst ist ganz grundsätzlich nichts einzuwenden. Wie auch in Film, Malerei und Fotografie gehört in der ausübenden Kunst – insbesondere auch im Theater – Nacktheit als ganz spezielle Ausdrucksform einfach dazu. So manche Performance beschränkt sich allerdings nicht auf geschlossene vier Wände, sondern findet an einem öffentlichen Ort statt, sei es in einem frei zugänglichen Geschäftslokal oder auf einer Freiluftbühne. Was müssen Veranstalter:innen oder Künstler:innen, die die Hüllen fallen lassen möchten, bei derartigen Performances beachten?
BUNDESRECHT
Eine Verwaltungsübertretung durch „Störung der öffentlichen Ordnung“ mit einer möglichen Geldstrafe von bis zu EUR 500,00 begeht nach § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz, „[w]er durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört […].“
Nach der Rechtsprechung des VwGH greift § 81 SPG allerdings in solchen Fällen nicht, in denen sich die Störung in einer Anstandsverletzung erschöpft (wenn also nur Anstand, nicht aber auch die öffentliche Ordnung verletzt wird [2009/09/0154; 2008/09/0272]).
„Bloße“ Nacktheit ist ein klassischer Fall einer bloßen Anstandsverletzung, die nicht auch die (sonstige) öffentliche Ordnung stört. Anstandsverletzungen richten sich jedoch in Österreich nach dem jeweiligen bundeslandspezifischen Landesverwaltungsstrafrecht.
LANDESRECHT
So begeht beispielsweise gemäß § 1 Abs 1 des Wiener Landes-Sicherheitsgesetz eine Anstands-verletzung, wer „den öffentlichen Anstand verletzt“, was mit einer Geldstrafe bis zu EUR 700,00 bestraft werden kann. Erfüllt wird dieser Straftatbestand durch ein Verhalten, „das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat“ (LVwG Wien VGW-031/064/11501/2018).
Ein paar Beispiele aus der Rechtsprechung:
STRAFRECHT
Als einzig denkbarer gerichtlicher Straftatbestand bei nackten Auftritten käme § 218 StGB „Sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen“ in Frage. Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist zu bestrafen, „wer öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, eine geschlechtliche Handlung vornimmt“, und zwar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten.
Wird demnach jemand unfreiwillig, etwa als bloßer Passant, Zeuge einer öffentlichen Performance, die eine intensive geschlechtliche Handlung miteinschließt, so könnte dies aus strafrechtlicher Sicht durchaus problematisch sein. Zu beachten ist aber, dass für eine Strafbarkeit zumindest bedingter Vorsatz vorliegen muss.
WIE FREI IST NUN DIE KUNST?
Zum Verhältnis unschicklichen/unsittlichen Verhaltens zur Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit hat der VfGH beispielsweise festgehalten: „Wer eine - wenn auch öffentliche - Theateraufführung besucht, muß weithin eine Sprache in Kauf nehmen, die er im täglichen Leben grob anstößig finden würde “ (B249/84); und in einer anderen Entscheidung, dass zwar „auch ein Künstler in seinem Schaffen an die allgemeinen Gesetze gebunden “ bleibt, jedoch eine Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und jenen Rechtsgütern, die durch den Verwaltungsstraftatbestand geschützt werden sollen, vorzunehmen ist (B1218/86).
Zusammenfassend stellt Nacktheit, die von mehr Personen als den „Beteiligten“ (z.B. freiwillige Besucher, geschlossener anwesender Personenkreis) wahrgenommen werden kann, grundsätzlich eine Anstandsverletzung dar. Die „Intensität“ und Begleitumstände der Nacktheit (konkrete Körperpartien/ganzer Körper, Dauer, Nähe, Körperhaltung) werden mit Blick auf die Sittlichkeitsgrenzen zu berücksichtigen sein. Kunst- und Meinungsäußerungsfreiheit sind zwar bei der Beurteilung, ob in einem konkreten Einzelfall der Anstand verletzt wurde, mitzuberücksichtigen, werden aber z.B. eine vollständige öffentliche Entblößung nur in sehr speziellen Fällen problemlos „rechtfertigen“ können. Wenn die Nacktheit zwar nicht an einem öffentlichen Ort stattfindet, aber doch (bedingt vorsätzlich/grob fahrlässig) „unfreiwillig“ von Unbeteiligten öffentlich wahrgenommen werden kann, z.B. auch etwa durch ein besonders großes Fenster, besteht die Gefahr einer Verwaltungsübertretung in Form einer Anstandsverletzung.
Wenn eine mögliche Verwaltungsübertretung bestmöglich ausgeschlossen werden soll, sind bei öffentlichen Performances zumindest Maßnahmen zu treffen, welche die Gefahr einer Einsichtnahme durch unbeteiligte Passanten ausschließen. Damit unbeteiligte Personen nicht unfreiwillig Zeugen der Nacktheit werden, können konkrete Hinweise, beispielsweise am Eingang zu einer Lokalität, helfen. Zu konkreten Maßnahmen berät unsere Kanzlei Sie jederzeit gerne.
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