ÖFFENTLICHES RECHT

NACKTPERFORMANCES
AN ÖFFENTLICHEN ORTEN

Blogbeitrag von RA Julie Vinazzer-Hofbauer, 05.08.2025

SO FREI IST DIE KUNST

Gegen Nacktheit in der Kunst ist ganz grundsätzlich nichts einzuwenden. Wie auch in Film, Malerei und Fotografie gehört in der ausübenden Kunst – insbesondere auch im Theater – Nacktheit als ganz spezielle Ausdrucksform einfach dazu. So manche Performance beschränkt sich allerdings nicht auf geschlossene vier Wände, sondern findet an einem öffentlichen Ort statt, sei es in einem frei zugänglichen Geschäftslokal oder auf einer Freiluftbühne. Was müssen Veranstalter:innen oder Künstler:innen, die die Hüllen fallen lassen möchten, bei derartigen Performances beachten?

BUNDESRECHT

Eine Verwaltungsübertretung durch „Störung der öffentlichen Ordnung“ mit einer möglichen Geldstrafe von bis zu EUR 500,00 begeht nach § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz, „[w]er durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört […].“

Nach der Rechtsprechung des VwGH greift § 81 SPG allerdings in solchen Fällen nicht, in denen sich die Störung in einer Anstandsverletzung erschöpft (wenn also nur Anstand, nicht aber auch die öffentliche Ordnung verletzt wird [2009/09/0154; 2008/09/0272]).

 „Bloße“ Nacktheit ist ein klassischer Fall einer bloßen Anstandsverletzung, die nicht auch die (sonstige) öffentliche Ordnung stört. Anstandsverletzungen richten sich jedoch in Österreich nach dem jeweiligen bundeslandspezifischen Landesverwaltungsstrafrecht.

LANDESRECHT

So begeht beispielsweise gemäß § 1 Abs 1 des Wiener Landes-Sicherheitsgesetz eine Anstands-verletzung, wer „den öffentlichen Anstand verletzt“, was mit einer Geldstrafe bis zu EUR 700,00 bestraft werden kann. Erfüllt wird dieser Straftatbestand durch ein Verhalten, „das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat“ (LVwG Wien VGW-031/064/11501/2018).

Ein paar Beispiele aus der Rechtsprechung:

  • „Ein Tanz einer Frau [in einer Bar nach Sperrstunde vor einem größeren Personenkreis] in unbekleidetem Zustand, die überdies nicht in Ausübung eines Berufes als Tänzerin handelt, vor mehreren Personen widerspricht den Pflichten der guten Sitte“ (VwGH 0526/51). Aber: „Eine Verletzung des öffentlichen Anstandes […] setzt voraus, daß zumindest die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme der Anstandsverletzung über den Kreis der Beteiligten hinausgegangen sein muß ““  (VwGH 3286/78), was bei dem Tanz in der Bar eben nicht der Fall war, weil nur die anwesenden Barbesucher den Tanz beobachten konnten.
  • Aus Tirol: „Der Beschwerdeführer hat sich schließlich vollkommen nackt ausgezogen und zu [einem Polizisten] den Ausspruch „suck my dick“ gerufen. […] Für das Landesverwaltungsgericht steht fest, dass es nicht den allgemein anerkannten Grundsätzen der Sittlichkeit entspricht, sich mitten am Vormittag auf einer öffentlichen Straße im Zentrum von Z nackt auszuziehen […]. Im konkreten Fall ist die Anstandsverletzung des völligen Entkleidens jedenfalls öffentlich erfolgt. Sie […] wurde jedenfalls von den beiden Beamten wahrgenommen. Daneben sind noch weitere Passanten an der Örtlichkeit vorbeigekommen.“ (LVwG Tirol 2015/45/2004-3).
  • Zur Entblößung eines Hinterteils auf einem Supermarktparkplatz hielt das LVwG Nieder-österreich fest, für eine Anstandsverletzung „ist es nicht erforderlich, dass das Delikt an einem öffentlichen Ort begangen wird, sondern reicht es aus, dass die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme des verpönten Verhaltens über den Kreis der Beteiligten hinausgeht“, wie gegenständlich, wo die Entblößung für jeden Kunden am Parkplatz, somit auch für Minderjährige und weibliche Personen, wahrnehmbar war (LVwG Niederösterreich LVwG-S-2571/001-2017).

STRAFRECHT

Als einzig denkbarer gerichtlicher Straftatbestand bei nackten Auftritten käme § 218 StGB „Sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen“ in Frage. Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist zu bestrafen, „wer öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, eine geschlechtliche Handlung vornimmt“, und zwar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten.

  • Bei künstlerischen Performances wird es zumeist schon an einer „geschlechtlichen Handlung“ fehlen. Dies sind nämlich ausschließlich geschlechtliche Handlungen im engeren Sinne, d.h. unmittelbar der Geschlechtssphäre zuzuordnende Berührung an einem fremden oder am eigenen Körper, nicht aber Striptease oder „nackt sein“ per se.
  • Als „Öffentlichkeit“ im Sinne dieser Bestimmung qualifiziert der OGH bereits die Eignung zur Wahrnehmung durch einen größeren Personenkreis (ab etwa zehn Personen) (11 Os 190/93).
  • Jedoch müssen zusätzlich noch „Umstände“ vorliegen, unter denen das Verhalten geeignet ist, Ärgernis zu erregen, was bei einer – nicht allzu exzentrischen – künstlerischen Performance in einem einigermaßen sittlichen Rahmen wohl in aller Regel unproblematisch sein sollte. Ausschlaggebend sind dabei neben „Art und (erhöhten) Intensität der geschlechtlichen Handlung insb der in Betracht kommende Personenkreis, die Örtlichkeit ihrer Vornahme und die Begleitumstände der Tat. Nur wenn sich daraus die konkrete Gefahr eines Ärgernisses, wenn auch nur bei einzelnen der die Handlung unfreiwillig wahrnehmenden Personen, ergibt, ist der Tatbestand erfüllt. […] Wer sich freiwillig und bewusst in ein Stripteaselokal oder Bordell begibt, dem ist kein berechtigtes Ärgernis an den Darbietungen, mit denen er schon nach den Ankündigungen rechnen musste, zuzubilligen.“ (Philipp in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 218 Rz 15 f).

Wird demnach jemand unfreiwillig, etwa als bloßer Passant, Zeuge einer öffentlichen Performance, die eine intensive geschlechtliche Handlung miteinschließt, so könnte dies aus strafrechtlicher Sicht durchaus problematisch sein. Zu beachten ist aber, dass für eine Strafbarkeit zumindest bedingter Vorsatz vorliegen muss.

WIE FREI IST NUN DIE KUNST?

Zum Verhältnis unschicklichen/unsittlichen Verhaltens zur Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit hat der VfGH beispielsweise festgehalten: „Wer eine - wenn auch öffentliche - Theateraufführung besucht, muß weithin eine Sprache in Kauf nehmen, die er im täglichen Leben grob anstößig finden würde “ (B249/84); und in einer anderen Entscheidung, dass zwar „auch ein Künstler in seinem Schaffen an die allgemeinen Gesetze gebunden “ bleibt, jedoch eine Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und jenen Rechtsgütern, die durch den Verwaltungsstraftatbestand geschützt werden sollen, vorzunehmen ist (B1218/86).

Zusammenfassend stellt Nacktheit, die von mehr Personen als den „Beteiligten“ (z.B. freiwillige Besucher, geschlossener anwesender Personenkreis) wahrgenommen werden kann, grundsätzlich eine Anstandsverletzung dar. Die „Intensität“ und Begleitumstände der Nacktheit (konkrete Körperpartien/ganzer Körper, Dauer, Nähe, Körperhaltung) werden mit Blick auf die Sittlichkeitsgrenzen zu berücksichtigen sein. Kunst- und Meinungsäußerungsfreiheit sind zwar bei der Beurteilung, ob in einem konkreten Einzelfall der Anstand verletzt wurde, mitzuberücksichtigen, werden aber z.B. eine vollständige öffentliche Entblößung nur in sehr speziellen Fällen problemlos „rechtfertigen“ können. Wenn die Nacktheit zwar nicht an einem öffentlichen Ort stattfindet, aber doch (bedingt vorsätzlich/grob fahrlässig) „unfreiwillig“ von Unbeteiligten öffentlich wahrgenommen werden kann, z.B. auch etwa durch ein besonders großes Fenster, besteht die Gefahr einer Verwaltungsübertretung in Form einer Anstandsverletzung.

Wenn eine mögliche Verwaltungsübertretung bestmöglich ausgeschlossen werden soll, sind bei öffentlichen Performances zumindest Maßnahmen zu treffen, welche die Gefahr einer Einsichtnahme durch unbeteiligte Passanten ausschließen. Damit unbeteiligte Personen nicht unfreiwillig Zeugen der Nacktheit werden, können konkrete Hinweise, beispielsweise am Eingang zu einer Lokalität, helfen. Zu konkreten Maßnahmen berät unsere Kanzlei Sie jederzeit gerne.

 

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